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Einblicke in die Partnerschaft mit Estland

  • Meike Ehlers zeigt ihr Fotoalbum vom Estlandbesuch 2019.
  • Auch das Projekt "Tallinner Straßenkinder" hat Meike Ehlers besucht.
  • Blick ins Album: Bilder vom Sängerfest.
  • Die Esten tragen landestypische Trachten beim Tanz- und Sängerfest.
  • Ökumene-Referentin Tatjana Owodow freut sich über die Verbundenheit der Partnerschaft.

Meike Ehlers ist Mitglied im Ausschuss für Ökumene und Partnerschaften des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde und unterstützt seit vielen Jahren die Partnerschaft mit Estland. Sie berichtet heute von dem Kirchenkreisprojekt "Tallinner Straßenkinder", welches sie vor Ort besucht hat.

Ein Schutzraum für Tallinner Straßenkinder

Kopli ist einer der armen Stadtteile von Estlands Hauptstadt Tallinn. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dort Arbeitersiedlungen errichtet. Viele Kinder lebten auf der Straße oder in verfallen Häusern. Die Kinder schnüffelten Klebstoff oder tranken Alkohol. Denn nur so war es auszuhalten. Die Eltern kümmerten sich nicht oder konnten sich nicht um sie kümmern, da sie selbst abhängig waren oder gar kein Geld hatten.

Am Anfang half die Peeteli Gemeinde durch Besuche, Lebensmittel und Kleiderspenden. Inge Ojala berichtet in ihrem Buch "Löwenzahnkinder" über die Kinder, die sie auf der Straße begleitet hat, und bis zum Aufbau des Tageszentrum. Im Jahr 1997 wurde das Gemeindehaus renoviert und danach als Tageszentrum genutzt. 1999 wurden Wohngemeinschaften eingerichtet, in denen seitdem Kinder unterkommen, die kein Zuhause haben oder dort nicht wohnen können. Die Wohngemeinschaften sind aufgeteilt in Jungen- und Mädchen-Wohngemeinschaften. Jede verfügt über eigene Küche, Hauswirtschaftsraum, Bad, Gemeinschaftswohnzimmer und Schlafräume. Im Tageszentrum bekommen die Kinder warmes Essen und werden betreut. Für die meisten Kinder ist es die einzige warme Mahlzeit am Tag. Es wird mit den Kindern Hausaufgaben gemacht, und verschiedene Aktivitäten werden angeboten.

Mit jedem Kind wird eine Vereinbarung getroffen, die eingehalten werden muss. Halten sich die Kinder nicht an diese Vereinbarung, muss das Kind die Einrichtung verlassen.

Die Kinder werden auch mit Sachspenden unterstützt. Zum Beispiel werden ihnen bei der Einschulung Schulranzen, Hefte und Stifte gegeben. Die meisten Eltern haben nicht genug Geld oder es wird für Alkohol oder anderes ausgegeben. Im Sommer gibt es die Sommercamps auf der Insel Saaremaa: für die Kinder eine schöne Abwechslung zu ihrem schweren Alltag in Tallinn. Die Peeteli Gemeinde ist dankbar für Spenden, die aus verschiedenen Ländern kommen.

Tallinns Straßenkinder

 

2019 besuchte Meike Ehlers mit Vertreter:innen der Kirchengemeinde Sehestedt das Sänger- und Tanzfest in Tallinn. Hier ihr Bericht:

Esten und Singen: eine innige Verbindung

Im Oktober 2018 hatten wir Besuch aus unserer Partnergemeinde Harju Risti. In einem Gottesdienst erzählten unsere Gäste über das Leben in Estland. Natürlich auch von dem Sänger- und Tanzfest, welches im Juli 2019 in Tallinn stattfand. In Estland hat das Singen einen hohen Stellenwert. Es wird überall und gerne gesungen ("singende Revolution"). Sie luden uns herzlich ein, daran teilzunehmen.

Im Juli 2019 flog dann eine elfköpfige Gruppe von uns nach Tallinn. Untergebracht wurden wir bei verschiedenen Gemeindegliedern, die uns sogar teilweise ihre Wohnung für die Zeit überließen.

Freitagabend ging es los mit dem Tanzfest im großen Stadion von Tallinn. Trachtengruppen aus ganz Estland führten Tänze auf. Es war ein fliegender Wechsel. Auf der einen Seite des Stadions liefen die Gruppen raus und auf dem anderen Ende kamen schon wieder neue Gruppen rein. Zum Abschluss des Abends waren alle Gruppen zusammen auf der Bühne. Es war sehr eindrucksvoll.

Am Samstag begann das Sängerfest. Es wurde mit einem Konzert und dem Anzünden der Flamme feierlich eröffnet. Am Sonntag gab es einen Festumzug der Sänger in Trachten vom Stadtzentrum bis zur fünf Kilometer entfernten Sängerwiese. Der Festumzug dauerte mehrere Stunden. So viele Akteure waren dabei. Wir begleiteten den Umzug und kamen dann auf dem Gelände der Musikmuschel an. Es herrschte ein dichtes Gedränge. Trotzdem waren alle friedlich und gut gelaunt. Sogar um die Wartezeit bei der Toilette zu verkürzen, wurde einfach ein Lied angestimmt, und die Wartezeit verging schnell. In der Musikmuschel gab es viele Auftritte. Der krönende Abschluss war dann das gemeinsame Singen. Die Musikmuschel war gefüllt mit Sängern. Auf der Wiese gab es kein freies Plätzchen mehr. Am Abend wurde dann die Flamme gelöscht, und das Fest war zu Ende.

Den Esten ist dieses Fest so wichtig, dass es live im Fernsehen übertragen wird. An unserem letzten Tag lernten wir noch einige Gemeindeglieder anderer Partnergemeinden von Harju Risti aus Dänemark, Finnland und England bei einem gemeinsamen Ausflug mit Gottesdienst und anschließendem Grillen kennen. Wir hatten eine wunderbare Zeit.

 

Tatjana Owodow ergänzt zur „Singenden Revolution“
Litauen, Lettland und Estland lagen für viele Jahre in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wie hinter einer dicken Mauer verborgen, auch wenn zum Baltikum zuvor durchaus sehr rege und lebendige Bezüge bestanden. Vor 100 Jahren errangen die Menschen dieser drei kleinen Länder ihre Unabhängigkeit, die ihnen dann aber in den 1940er Jahren wieder genommen wurde. Die Sowjetunion, dann Hitler-Deutschland und schließlich wieder die Sowjetunion zwängten den Menschen ihren Machtwillen auf und ließen kaum Luft zum Atmen. Mitte der 1980er Jahre führte Michael Gorbatschow in der UdSSR die Perestrojka ein, eine Politik der Umgestaltung und Reformen. Im Zuge von Perestroika zeigte die baltische Bevölkerung ihren Freiheitswillen – dieser wurde hörbar in der "Singenden Revolution".

"Singende Revolution" wurde ein bewegendes Zeugnis dafür, dass Menschen, die miteinander ihre Hoffnungen und Träume singen - zumindest in diesem Fall - auch mit Waffengewalt nicht zu bezwingen sind.